7. Eintrag: 9. September 2020

Den heutigen Tag haben wir wieder für Trainings genutzt. Da ich während den Rettungen auf der Brücke stehen und alles dokumentieren werde, war ich während des Trainings frei und so musste ich in verschiedenen Rollen eine zu rettende Person spielen, die von unseren Beibooten evakuiert wurde. So hatte ich einmal einen gebrochenen Arm, ein anderes Mal eine offene Wunde am Bein und später bin ich an Deck umgefallen. Mal hab ich Englisch gesprochen und mal nicht.

Es war spannend einmal die Position der Geflüchteten einzunehmen und zum Glück hat sich das gesamte Team gut um mich kümmert in den einzelnen Situationen.
Als man dann irgendwann die Funk-Durchsage „Patient died in hospital“ hörte, wurde einem schon komisch. Aber wir bereiten uns wie gesagt auf alle Situationen gut vor. 

An Bord eines RHIBs gibt es 3 Positionen: RHIB-Fahrer*in, RHIB-Kommunikator*in und RHIB-Leader*in. Eines unserer RHIBs ist mit professionellen Seeleuten besetzt und eines mit Freiwilligen. Die RHIB-Fahrer, Eloy und Christian, steuern die beiden RHIBs. Die RHIB-Kommunikatoren Richard und Jonas nehmen Kontakt zu den Booten auf, die wir retten, beruhigen die Menschen, erklären in Ruhe wie der Ablauf ist und versuchen zu erfahren, ob Personen verletzt sind etc.. Und die RHIB-Leader, Josh und Corvin halten einen Überblick, sind im Funkkontakt mit der ALAN KURDI und geben die Befehle im RHIB.


Im RHIB beim Transfer einer geretteten Person auf die AK

Heute Abend hatten wir wie jeden Abend die sogenannte „Media Minute“. Da wir auf hoher See nicht viel von der Außenwelt mitbekommen werden, hält unser Media Coordinator Joris uns auf dem Laufenden. Heute ging es natürlich um Moria – ihr werdet es alle gehört haben. Traurig, dass erst so ein Unglück passieren muss, damit Europa dort wirklich hinschaut. Hoffen wir, dass nun endlich etwas passiert. Niemand sollte in diesen Umständen leben müssen.

Noch kurz ein paar Antworten auf eure Fragen:

Habt ihr theoretisch rechtliche Konsequenzen zu befürchten, falls ihr Menschen in Seenot rettet? (weil Kapitäne ja teilweise angeklagt wurden)

Theoretisch ja. Es ist im Moment nicht die italienische Taktik, gegen Crews vorzugehen, sondern es wird eher versucht, die Schiffe aufgrund von „angeblichen“ Mängeln festzuhalten. Daher gehe ich eher nicht davon aus, dass wir als Crew rechtliche Probleme bekommen. Aber es kann theoretisch passieren, dass man nach der Rettung unsere elektronischen Geräte konfisziert und gegen uns ermittelt wird.Gegen die Crew der Iuventa von Jugend Rettet wird seit über 3 Jahren ermittelt und der Kapitätnin Pia Klemp drohen bis zu 20 Jahre Haft.
Aber wie gesagt, ich halte es eher für unwahrscheinlich. Falls wir doch festgehalten und evtl. verurteilt werden, bin ich sicher, dass früher oder später festgestellt wird, dass das Verbrechen nicht ist, Menschen vor dem Ertrinken zu retten, sondern andere daran zu hindern.

Kann es eigentlich sein, dass ihr auf kein einziges Boot trefft, oder gab es bisher bei jeder Mission auch eine Rettung?

Das kann auch passieren. Z.B. wenn anderen NGOs im Einsatz sind oder wenn keine Boote aufbrechen weil schlechtes Wetter ist oder weil sie vorher von der „Libyschen Küstenwache“ abgefangen werden.
Jonas, unser RHIB-Kommunikator war z.B. schon auf einer Sea-Eye-Mission bei der es wegen schlechten Wetters keine Rettung gab.
Bei unserer Mission halte ich das aber für sehr unwahrscheinlich, weil das Wetter gut zu sein scheint und wir in den nächsten Wochen vermutlich das einzige Schiff im Einsatz sein werden.
Ich gehe eher davon aus, dass es sogar mehrere Rettungen werden könnten. Aber das weiß man natürlich nie vorher.




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