5. Eintrag: 7. September 2020


Heute haben wir nochmal einiges am Schiff geregelt und gewerkelt. Viele Kleinigkeiten fallen eben doch noch an. Ich war wieder fast den ganzen Tag einkaufen, gut, dass ich das Auto dabei habe.


Das Vorderdeck der ALAN KURDI

Abends war ich mit Kochen dran. Wir haben heute auch einen Großteil der Lebensmittel für unsere Mission gekauft. Echt eine Riesen-Logistik, bis zu 6, wenns schlecht läuft 8 Wochen, für 20 Personen zu kochen. Vera ist als Köchin an Bord und kriegt dann jeweils Unterstützung. Falls wir irgendwann Gäste an Bord haben, kochen wir dann alle zusammen, evtl. müssen wir dann für 100 oder 150 Menschen kochen. Gerade Reis, Couscous, etc. haben wir sehr viel an Bord.
Heute Abend haben wir Bilder aus der Werftzeit gesehen, echt beeindruckend wie viel Aufwand die Instandhaltung so eines Schiffes bedeutet – insbesondere bei einem 70 Jahre alten Schiff. Die Werftcrew hat echt ganze Arbeit geleistet und das Schiff ist einem super Zustand.
Morgen wird es nochmal einiges an Crewtraining geben und wir bereiten uns auf verschiedene Situationen vor. 


Die ersten Fragen habe ich schon bekommen und beantworte sie gerne:

Mit wem bist du in einer Koje?

Ich teile meine Kabine mit Dietmar. Dietmar ist als ehrenamtlicher Maschinist an Bord. Er übernimmt die Schicht im Maschinenraum von 0 – 4 Uhr und 20 – 24 Uhr.
Auf so einem Schiff sind die Schichten für die Brücke und den Maschinenraum immer fest verteilt.

Für wen arbeitet die Journalistin an Bord?

Für den Expresso, die größte portugiesische Zeitung.

Wie findet ihr eigentlich die Flüchtenden auf See? Sagt euch jmd Bescheid? Gibts ne bestimmte Route, die ihr abfahrt? Funk?

Sowohl als auch. Wir fahren mit dem Schiff in die Region, in der häufig Boote kentern oder in Seenot geraten - die sogenannte SAR-Zone (Search and Rescue). Schon auf dem Weg dorthin halten wir sehr penibel Ausschau, um kein Boot zu übersehen. Häufig werden uns aber auch Notrufe weitergeleitet und wir fahren zu der Position, an der das Boot zuletzt gesichtet wurde.

Fühlt es sich für dich gerade noch eher an wie Urlaub oder ist dir schon bewusst, was die nächsten Tage und Wochen passieren wird?

Es ist eine Mischung. Zum Einen ist es spannend und macht auch Spaß auf so einem großen Schiff zu sein. Wir verstehen uns sehr gut und haben eine gute Zeit im Hafen. Heute Abend haben wir Gitarre gespielt, morgen Abend biete ich ein Quiz an.
Das ist auch extrem wichtig, dass wir eine gute Grundstimmung haben und als Crew gut zusammen funktionieren.
Auf der anderen Seite arbeiten wir alle den ganzen tagsüber, um alles vorzubereiten und sprechen auch viel darüber was kommt, da sind wir uns schon alle sehr bewusst und angespannt.
Wenn es dann wirklich losgeht wird sich das mit Sicherheit auch noch mehr zu Angespanntheit verlagern.

Wenn ihr Menschen gerettet habt, halten diese sich ja an Deck auf. Wie ist die Verpflegung geregelt. Seid ihr auf über Hundert Menschen mit Essenspaketen und Wasser vorbereitet?

Wie oben schon kurz angerissen sind wir natürlich auch auf viele Menschen vorbereitet, aber nur für eine bestimmte Zeit und das wird dann auch kein 3-Gänge-Menü. Falls wir nicht direkt einen sicheren Hafen zugewiesen bekommen und vor der Küste warten müssen, dann wir das eine sehr strapazenreiche und vor allem herausfordernde Zeit.

Wie kann es sein dass die EU die libysche Küstenwache finanziert? Das ist doch so, oder?

Ja das stimmt und das ist Teil der Abschottungspolitik der EU. Es soll niemand mitbekommen, dass Menschen zu uns fliehen. Also werden sie zurück in Camps gebracht, in denen sie Folter und Vergewaltigung erwarten. Es wird von KZ-ähnlichen Verhältnissen gesprochen.

https://www.welt.de/politik/deutschland/article161611324/Auswaertiges-Amt-kritisiert-KZ-aehnliche-Verhaeltnisse.html

https://daserste.ndr.de/panorama/archiv/2020/EU-Politik-Weniger-Fluechtlinge-hier-mehr-Leid-in-Libyen,libyen262.html

All das weiß die EU ganz genau und das ist das Erschreckendste!


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