25. September
Ein Tag mit sehr gemischten Gefühlen geht zu Ende. Wir haben heute nicht alle unsere Gäste an Land gehen lassen dürfen, wie es uns gestern versprochen wurde.
Um 10 Uhr sind wir in Olbia angekommen und als wir im Hafen angelegt haben, sah es erst danach aus, als können wir bald von Bord gehen. Bis 17 Uhr wurden wir dann aber aus uns nicht wirklich erklärlichen Gründen warten gelassen. Mir ist nicht klar, ob da politische Gründe hintersteckten, um uns zu schikanieren oder ob die hier einfach sehr unorganisiert sind. Da das aber der zivile Katastrophenschutz war, der sich heute um uns gekümmert hat, hoffe ich sehr, dass nicht mal eine wirkliche Katastrophe auf Olbia zukommt..Da wir erst um 17 Uhr anfangen konnten, die Menschen nacheinander von Bord zu schicken und die Italiener einen Medizincheck und eine Migrationsregistrierung durchgeführt haben, haben sie nur 64 unserer Gäste an Land bringen können. Die restlichen 61 sind noch an Bord. Zum Glück haben wir in den letzten Tagen eine vertrauensvolle Verbindung zu unseren Gästen aufgebaut, die heute etwas strapaziert wurde, aber die Menschen haben das alles wirklich sehr gut aufgefasst und geduldig mitgemacht.
Ich bin wirklich sehr glücklich, dass viele von ihnen schon von Bord sind und die restlichen wohl morgen früh folgen werden. Doch es war wirklich auch ein trauriger Abschied, ich habe diese Menschen ins Herz geschlossen.
Was
mich (und uns) extrem wütend und traurig gemacht hat, war die
Szenerie vor Ort. Vielen der Verantwortlichen stand die Ablehnung ins
Gesicht geschrieben – evtl. auch ein Grund dafür, dass sie sich
nicht beeilt haben. Ein Politiker von der Lega hat sich am Anfang vor
unseren Gangway (damit geht man von Bord) gesetzt und wollte die
Disembarcation blockieren. Und hinterm Zaun standen einige Faschisten
und hatten Banner dabei.
Es
ist für mich unverständlich und beschämend, dass es in Europa so
viele gibt, die so verabscheuend gegenüber anderen Menschen sind
Wir
haben Menschen an Bord, die viel mitgemacht haben. Viele
von ihnen mussten ihr Land wegen Kriegen oder anderen Konflikten
verlassen, sie haben gesehen wie Familienmitglieder und Freunde
erschossen wurden, haben selber Wunden, die von der Gewalt in den
Libyschen Camps sprechen und nach all den Albträumen hatten sie vor
einer Woche Todesangst, weil sie mit einem überfüllten Schlauchboot
fast gekentert wären. Und nach dem wir sie gerettet hatten, wurden
sie nicht herzlich willkommen geheißen, um an einem Sicheren Ort all
das Erlebte zu verarbeiten, sondern ihnen wird das Gefühl gegeben,
dass man sie nicht hier haben will.
Das
zeigt
das hässliche und viel zu oft auftretende Gesicht europäischer
Politik, das Menschenrechte mit den Füßen tritt. Das macht mich
echt fassunglos.
Zum Glück gab es auch Menschen, die ein Schild mit „Herzlich Willkommen“ aufgehangen hatten.
Jetzt hoffe ich, dass morgen alles glatt läuft und unsere Gäste endlich alle an Land gehen können.
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